Verantwortlicher:
Lucas Proctor promovierte 2021 in Anthropologie an der University of Connecticut. In seiner Dissertation mit dem Titel „Fueling socio-political complexity: Examining fuel use and fuel economies during the Chalcolithic and Iron Ages of Northern Mesopotamia“ hat er Pflanzenreste aus den archäologischen Fundorten Surezha, Tell Zeidan und Ziyaret Tepe auf Hinweise zur Nutzung als Brennstoff untersucht. Als Umweltarchäologe und Archäobotaniker arbeitete Lucas in zahlreichen Projekten in der Türkei, Syrien, dem Irak und im Kaukasus. Sein Hauptinteresse gilt der Erforschung der Dynamik der Mensch-Umwelt-Beziehung und der aufkommenden sozioökonomischen Komplexität, wozu er die Land- und Viehwirtschaft sowie den Gebrauch von Brennstoffen untersucht.
Angewandte Methoden:
Archäobotanik untersucht die Verwendung von Pflanzen in der Vergangenheit und bedient sich dabei Pflanzenresten, die aus archäologischen Kontexten stammen. Durch die Identifizierung und morphologische Analyse von Pflanzenresten in Kombination mit archäologischen Erkenntnissen über die Ablagerungsgeschichte und den Kontext, in dem die Überreste gefunden wurden, können Archäobotaniker verschiedene Aspekte der Vergangenheit beleuchten. Dazu zählen unter anderem die Untersuchung von Fragen zu den Umweltbedingungen und Vegetationsveränderungen, zur Ernährung von Mensch und Tier, zu land- und viehwirtschaftlichen Produktionsabläufen sowie zu Nachhaltigkeitsstrategien und Risikominderung, die in der Vergangenheit von Menschen angewendet wurden. In semi-ariden und ariden Regionen wie dem Oman begegnen Archäobotaniker häufig Pflanzenresten, die durch Verkohlung erhalten geblieben sind – normalerweise, weil sie beabsichtigt oder versehentlich Feuer ausgesetzt waren. Da Holzkohle weitgehend inert ist, bleibt sie in fast unveränderter Form über viele tausend Jahre erhalten.
Zwei Hauptkategorien von Pflanzenresten bleiben typischerweise als Holzkohle erhalten: Samen und Holzfragmente. Nicht-holziges Pflanzengewebe, einschließlich Stängeln, Blättern und Teilen von Blütenständen, bleibt ebenfalls gelegentlich erhalten, ist jedoch auf Grund seiner vergleichsweise hohen Fragilität weniger häufig. Die Karpologie, das Studium und die Identifizierung von Samen anhand ihrer Morphologie, wird von Archäobotanikern häufig als Mittel zur Untersuchung der Verwendung von Pflanzen in der Vergangenheit eingesetzt. Archäobotaniker haben dazu eine breite Palette von erklärenden Verhaltens- und paläoökologischen Modellen entwickelt, um zu verstehen, was Pflanzenreste über menschliche Aktivitäten und die Umwelt in der Vergangenheit aussagen. In ähnlicher Weise widmet sich die Anthrakologie der Identifizierung und des Studiums von Holzkohle durch das Untersuchen von Mustern in der Zellstruktur der Holzmaserung. Durch Nachverfolgung der sich im Laufe der Zeit ändernden Anteile der Holzarten kann die Anthrakologie sowohl auf natürliche als auch auf anthropogene Veränderungen der lokalen und regionalen Vegetationsentwicklung schließen. Sie ist auch sinnvoll, um verschiedene menschliche Verhaltensweisen zu untersuchen, einschließlich Metallverarbeitung, der Nutzung von Brennstoffen im Haushalt, Baumaßnahmen und der Herstellung von Werkzeugen.
Im Rahmen des Projektes UmWeltWandel werden archäobotanische Analysen von verkohlten Samen und Holzfragmenten durchgeführt, die an Fundorten im Untersuchungsgebiet gewonnen werden. Diese Materialien werden typischerweise durch das Sammeln großer Sedimentproben aus archäologischen oder natürlichen Ablagerungen gewonnen. Die Proben werden im Feld mittels Flotation verarbeitet: dabei werden sie in Wasser getaucht und gerührt, um verkohlte Pflanzenfragmente (die normalerweise an der Oberfläche schwimmen) freizusetzen, welche später analysiert werden. Bei der Arbeit im Labor wird das verkohlte Material dann unter dem Mikroskop sowohl mit niedriger als auch hoher Vergrößerung untersucht. Die Überreste werden nach Typen sortiert, mittels Vergleich mit verschiedenen Referenzsammlungen identifiziert und dann gezählt. Verschiedene morphologische Merkmale, die während der Analyse beobachtet werden, insbesondere bei Holzfragmenten, können auch Einblicke in die Wachstumsbedingungen und die Lebensgeschichte der Pflanzen geben. Dies ist hilfreich, um zu verstehen, wie sie auf Umweltveränderungen und/oder menschliche Eingriffe reagiert haben.
Archäobotanische Analysen können ein besonders wirksames Mittel zur Untersuchung des menschlichen Verhaltens in Bezug auf die Umwelt sein, wenn sie zusammen mit anderen umweltbezogenen und paläoökologischen Proxys untersucht werden. Die durch sie gewonnenen Informationen ergänzen die palynologischen und mikrobotanischen Analysen und erlauben so dem Projekt UmWeltWandel, ein ganzheitlicheres Verständnis der Vegetation und der Umweltbedingungen im Zentraloman in der Vergangenheit zu generieren.