Der Fundort Al-Khashbah

Al-Khashbah

Der Fundort Al-Khashbah liegt in der Region Schamal Al-Scharqiya, etwa 18 km nordöstlich der modernen Stadt Sinaw an den südlichen Ausläufern des Al-Hajar-Gebirges. Er erstreckt sich über fünf Kilometer in ostwestlicher und bis zu zweieinhalb Kilometer in nordsüdlicher Richtung und ist der größte bekannte Fundort des 3. Jahrtausends v. Chr. in der Region. Al-Khashbah zeichnet sich durch mindestens neun monumentale Rundbauten, sogenannte Türme, aus. Der Ort fand schon früh in der Literatur Erwähnung, da er mit dem Gebäude IV ein für den Oman einzigartiges Bauwerk besitzt, welches im Gegensatz zu allen anderen Türmen des 3. Jahrtausends v. Chr. keinen runden, sondern einen rechteckigen Grundriss aufweist. Die Ausgrabungen in Al-Khashbah finden seit 2015 durch ein Team der Universität Tübingen unter der Leitung von Dr. Conrad Schmidt im Rahmen des DFG-Projektes „Die Entstehung komplexer Siedlungen im nördlichen Inner-Oman im 3. Jahrtausend v. Chr.“ statt. Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, die Frühphase der kulturellen und sozio-ökonomischen Entwicklung in der Bronzezeit im nördlichen Inner-Oman zu untersuchen.


Der Survey 2015

2015 wurden intensive Oberflächenbegehungen in Al-Khashbah durchgeführt und dabei eine Fläche von über 20 Hektar systematisch und lückenlos untersucht. Alle Funde wurden aufgelesen und jeder einzelne von ihnen mittels Handheld-GPS (Modell Garmin eTrex 10) eingemessen. Insgesamt wurden auf diese Weise rund 18.000 Objekte erfasst und in einem WebGIS dargestellt. Darin lassen sich die  räumliche Verteilung abhängig von Objektklasse, Datierung, Typologie und anderen Fundmerkmalen anzeigen und analysieren.

Die ältesten Bauwerke in Al-Khasbah sind 205 Hafit-zeitliche Gräber, die sich ausschließlich aufgereiht auf den Hügelketten befinden (WebGIS). Es handelt sich um oberirdische, kegelstumpfförmige Steinbauten. Neben den Gräbern gibt es auch Monumentalbauten der Hafit-Zeit (3100–2700 v. Chr.) in Al-Khashbah, drei Rundbauten aus Stein sowie ein großer Gebäudekomplex aus Lehmziegeln, Gebäude I. In der Umm an-Nar-Zeit (2700–2000 v. Chr.) gibt es deutlich weniger, dafür größere oberirdische Steingräber. Diese befinden sich ausschließlich in der Ebene im Zentrum von Al-Khashbah. Es ist nur ein Wohngebäude, Gebäude X, aus der Umm an-Nar-Zeit in Al-Khashbah bekannt. Dieses befindet sich im Norden des Fundortes. Darüber hinaus gibt es fünf monumentale Rundbauten aus Stein, die in die Umm an-Nar-Zeit datieren (WebGIS). Für die nachfolgende Wadi Suq-Zeit (2000–1600 v. Chr.) ist nur noch eine Gruppe aus sechs Gräbern belegt. Im Anschluss an die Wadi Suq-Zeit gibt es einen langen Hiatus in Al-Khashbah. Erst in der spätislamischen Zeit wurde der Ort wieder besiedelt. Dazu gehört die moderne Palmoase sowie das aufgelassene Dorf Safrat al-Khasbah ganz im Osten des Fundorts.

Die Lage der wichtigsten frühbronzezeitlichen Gebäude in Al-Khashbah (rot = Hafit-Zeit; gelb = Umm an-Nar-Zeit).


Gebäude I

Das Gebäude I gehört zu einer großen Hafit-zeitlichen Siedlung, zu der auch die Türme VIII, IX, XI und XII zählen dürften. Es handelt sich um einen Komplex aus mehreren einzelnen Lehmziegelgebäuden, die von großen Grabenanlagen umgeben sind. Die Anlage ist insgesamt ca. 80 x 80 m groß und liegt auf einer natürlichen Erhebung unmittelbar neben dem Wadi. Die Gebäude sind in kleine, annähernd gleichgroße Räume aufgeteilt. Für die umgebenden Gräben konnte nachgewiesen werden, dass diese bis zu 4 m breit und 3 m tief sind. Sie dürften, wie auch ein später in die Verfüllung eines der Gräben eingetiefter Brunnen aus Stein, vorrangig zur Förderung von Wasser gedient haben. Aus Gebäude I stammen vor allem Steinwerkzeuge und Abfälle von deren Herstellung, Perlen und Perlenrohlinge sowie kleinere Mengen von Schlacke und eine große Anzahl von Mahlsteinen, die wohl ebenfalls der Kupferproduktion zuzuschreiben sind. Alle Funde belegen, dass hier eine Reihe von handwerklichen Tätigkeiten ausgeübt wurden. Holzkohleproben datieren das Gebäude I in die ausgehende Hafit-Zeit um 2800 v. Chr..

Das Gebäude I aus der Luft.

Lehmziegelfußboden im nordwestlichen Teil von Gebäude I.

Gesamtplan des Gebäudes I.

 

Steinartefakte aus Gebäude I.


Gebäude II

Das Gebäude II liegt im Bereich G im Nordosten von Al-Khashbah auf einem Felskegel unmittelbar neben dem Wadi. Am besten ist seine kreisförmige Hauptmauer auf der Spitze des Hügels erhalten. Sie ist schalenförmig aufgebaut, hat einen Durchmesser von 28 m. Im Nordosten der Hauptmauer konnte ein möglicher Zugang mit dahinterliegendem Steinfußboden freigelegt werden. Er wird auf beiden Seiten durch jeweils einen Vorsprung der Mauer flankiert. Ein zweiter Testschnitt wurde im Osten des Gebäudes in einer natürlichen Kaverne im Fels angelegt und unter einer anderthalb Meter mächtigen Schuttablagerung eine Begehungsfläche entdeckt. Bei den Ausgrabungen in Gebäude II wurden keine Schlacke und Ofenfragmente, dafür jedoch Umm an-Nar-Keramik gefunden. Holzkohleproben von der Innenseite der Hauptmauer auf dem angrenzenden Steinfußboden datieren das Gebäude II an den Beginn der Umm an-Nar-Zeit um 2600 v. Chr..

Mauervorsprung im Nordosten des Gebäudes II.


Gebäude IV

Das Gebäude IV ist mit einer Seitenlänge von 29,50 bis 30 m annähernd quadratisch. Jede der vier Seiten besitzt einen Mauervorsprung. Alle befinden sich mittig an jeder Seite, nur jener im Osten ist nach Süden hin verschoben, um möglicherweise Platz für einen Eingang in das Gebäude im Nordosten zu schaffen. Hier liegt der mit Abstand größte Steinquader des Bauwerks mit einer Länge von 2,80 m. Im Nordosten ist die Mauer noch bis zu 2,20 m hoch erhalten. Hier befinden sich eine große Gruppe von Petroglyphen aus der islamischen Zeit, die Reitern, Pferde, Kamele und geometrische Symbole darstellen. Das Gebäude IV datiert eindeutig in die Umm an-Nar-Zeit (2700–2000 v. Chr.), wie zahlreiche Keramikscherben an der Oberfläche anzeigen.

Petroglyphe an der Außenmauer von Gebäude IV.


Gebäude V

Das Gebäude V befindet sich unmittelbar am Rande des Wadis, gegenüber der modernen Palmoase von Al-Khashbah. Es besitzt eine kreisrunde Hauptmauer aus Stein mit einem Durchmesser von 25 m. Der Turm wurde während seiner Nutzungszeit mehrmals umgebaut. Durch tausende Fragmente von Schmelzöfen und -tiegeln, Schlacke und Kupferspritzer (Prills) konnte nachgewiesen werden, dass es hier eine intensive Kupferproduktion gab. Holzkohleproben aus den selben Ablagerungen wie die Überreste der Metallverarbeitung datieren an den Beginn der Hafit-Zeit um 3200–3100 v. Chr.. Damit ist Gebäude V nicht nur das älteste bekannte Monumentalgebäude Omans, sondern liefert auch den ältesten Nachweis für eine substanzielle Kupferproduktion. Darüber hinaus ist es zeitgleich mit den archaischen Texten aus Uruk aus dem Ende des 4. Jahrtausends v. Chr., in denen schon der Kupferhandel über den Arabisch-Persischen Golf erwähnt wird. Somit passen erstmals schriftliche Zeugnisse aus Süd-Mesopotamien und archäologische Quellen aus dem Oman zusammen.

Das Gebäude V am Beginn der Ausgrabungen.

Stein- und Lehmziegelmauern im Inneren von Gebäude V.

Gesamtplan des Gebäudes V.

 

Tiegel- und Ofenfragmente mit Anhaftungen von Schlacke aus Gebäude V.


Geophysikalische Prospektionen

Seit 2015 wurden kontinuierlich geophysikalische Prospektionen durchgeführt. 2015 wurden das Gebäude I, das Gebäude V und das Gebäude VII von Jason Herrmann von der Universität Tübingen prospektiert. 2016 untersuchten Dominique Ngan-Tillard und Martijn Warnaar von der TU Delft die Gebäude I, VIII und IX. 2017 und 2018 führten Jörg Faßbinder und Marion Scheiblecker von der Universität München Messungen an den Gebäuden XI und XII durch. Die wichtigsten Ergebnisse aus der Magnetik sind drei monumentale Gebäude (I, XI und XII) einschließlich großer Grabenanlagen.

Marion Scheiblecker bei der geophysikalischen Prospektion in Bereich B.

Ergebnis zweier geophysikalischer Prospektionen in Bereich B (J. Herrmann, J. Faßbinder, M. Scheiblecker).